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2022

Autor/-in:

Brunschwiler Ylva

Ferdinand von Schirachs Der Fall Collini

Wie ein Mörder in der Literatur zum Sympathieträger wird

Betreuer/-in:
Rahel Beeler
2. Betreuer/-in:
Marianne Keller Derrer
Schule:
Kantonsschule Zürich Nord
Fach: Deutsch
Die Analyse dieses Kriminalromans hat mir gezeigt, dass sich die detaillierte Auseinandersetzung mit einem Menschen lohnt, selbst wenn wir das Gefühl haben, ihn und seine Beweggründe bereits zu kennen.
Abstract

Wer einen Menschen skrupellos tötet, wird in unserer Gesellschaft meist verstossen und verabscheut. Ferdinand von Schirach ist es in seinem Roman Der Fall Collini jedoch gelungen, den zu Beginn kaltblütig wirkenden Mörder Fabrizio Collini schlussendlich als Sympathieträger darzustellen. Aber wie geht ein Autor vor, damit uns eine Mörderfigur sympathisch erscheint? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mich vertieft mit Katharina Bruchs Untersuchung Sympathische Verbrecher und Mörder auseinandergesetzt. Sie hat darin literarische Techniken aufgezählt, die zur sympathischen Wirkung von mordenden Protagonist*innen führen. Ich habe anschliessend den Roman Der Fall Collini anhand dieser literarischen Techniken analysiert. Von Schirach präsentiert den Lesenden nach und nach Eigenschaften und Beweggründe des Mörders, sodass nicht nur dessen Tat, sondern auch dessen Emotionen nachvollziehbar werden. Das allein würde jedoch nicht ausreichen, um den Mörder sympathisch wirken zu lassen: Ferdinand von Schirach gelingt es mit der komplexen Darstellung von Täter- und Opferfigur sowie mit der gezielten Balance zwischen Zurückhalten und Streuen von Informationen, den skrupellosen Mörder Collini als gesellschaftliches Opfer darzustellen. Von Schirach zeigt uns so, dass Gut und Böse nicht strikt voneinander abzugrenzen sind und wir uns auch im realen Leben mehr in unsere Mitmenschen hineinversetzen sollen, bevor wir voreilig urteilen.